Das Wichtigste in Kürze 

  • 2019 wurden zum ersten Mal synthetische Cannabinoide als Zusatz in
    Cannabisblüten oder Haschisch in verschiedenen Schweizer Drug-Checking-Angeboten getestet. 
  • Seit Anfang 2020 werden im Drogeninformationszentrum der Stadt Zürich (DIZ) vermehrt Cannabisproben analysiert, von denen die Konsumierenden glaubten, sie seien mit synthetischen Cannabinoiden versetzt worden. 
  • Bei über der Hälfte (50 von 91) der Proben wurden im Rahmen von Laboranalysen synthetische Cannabinoide festgestellt. 
  • Synthetische Cannabinoide sind weitgehend unerforscht und stehen im Verdacht, schwere Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen zu verursachen. 
  • Die Einschätzung, dass es sich bei Cannabis um eine Substanz mit ver-gleichsweise geringer Gefahr für eine Überdosierung handelt, ist seit dem Auftreten von synthetischen Cannabinoiden überholt. 
  • Das DIZ rät allen Cannabiskonsumierenden zu Vorsicht und Einhaltung der Safer-Use-Regeln beim Konsum. 
  • Ab 1. Oktober 2020 können im DIZ wöchentlich insgesamt 10 Cannabis-Proben abgegeben werden. 

Ausgangslage

Seit 2008 zirkulieren so genannte synthetische Cannabinoide auf dem illegalen Drogenmarkt in der Schweiz. Ursprünglich als Zusatz in Räuchermischungen (z.B. «Spice») verwendet, wurden sie vorwiegend von erfahrenen Konsumierenden (sogenannte «Psychonaut*innen») aus Interesse an der Wirkung konsumiert. Synthetische Cannabinoide lassen sich bei gängigen Urintests nicht nachweisen, weshalb diese Substanzen auch von Personen, die regelmässig Urinproben abgeben müssen, konsumiert wurden. 

2019 wurden zum ersten Mal synthetische Cannabinoide als Zusatz auf Cannabisblüten oder Haschisch in verschiedenen Schweizer Drug-Checking-Angeboten getestet. Seit Anfang 2020 häufen sich im Zürcher Drogeninformationszentrum (DIZ) der Stadt Zürich Anfragen und Analysen zu synthetischen Cannabinoiden. Auch das Forensische Institut Zürich stellt seit Ende 2019 eine deutliche Zunahme an Sicherstellungen fest. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten im DIZ müssen derzeit (Stand: September 2020) pro Woche rund 10 Personen abgewiesen werden, die verdächtige Cannabisproben zur Analyse abgeben möchten. Rückmeldungen von anderen Drug-Checking-Angeboten in Europa und von der EMCDDA lassen darauf schliessen, dass es sich beim vermehrten Auftreten von synthetischen Cannabinoiden um ein Phänomen handelt, das bislang vorwiegend in der Schweiz zu beobachten ist. 

Der Begriff «synthetische Cannabinoide» 

Der Begriff «synthetische Cannabinoide» hat sich für diese Substanzgruppe international etabliert. Er ist aber nicht trennscharf, denn es lassen sich auch Cannabinoide, die natürlich in der Hanfpflanze gebildet werden und ein deutlich geringeres Risikopotential aufweisen (THC und CBD), synthetisch herstellen. Die Gruppe, die als synthetische Cannabinoide bezeichnet wird, ähnelt in ihrem Wirkmechanismus THC, dem psychoaktiven Wirkstoff in Cannabis. Diese Gruppe bindet an denselben Rezeptoren (CB1/CB2) wie THC, jedoch mit z.T. mehr als 100 Mal stärkerer Bindung, was die deutlich stärkere Wirkung erklärt. Synthetische Cannabinoide imitieren also die Wirkung von THC, unterscheiden sich aber in ihrer Struktur. Sie werden wegen ihrem Wirkmechanismus auch als Cannabimimetika (mimetisieren = nachahmen) oder Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten bezeichnet. 

91 Substanzproben im DIZ abgegeben und analysiert 

In den ersten acht Monaten des Jahres 2020 hat das DIZ 91 Cannabisproben analysiert, die im Verdacht standen, mit synthetischen Cannabinoiden versetzt worden zu sein. Die Klientinnen und Klienten deklarierten ihre Probe vor der Analyse wie folgt: 

  • 85 Abgaben von «herkömmlichem Gras» (Cannabisblüten mit einem Gehalt von über 1 % THC) 
  • 5 Abgaben von Haschisch 
  • 1 Abgabe von «legalem Gras» mit einem THC-Gehalt von unter 1 % («CBD-Gras») 

83 Personen gaben an, die Substanz im privaten Umfeld (Bekanntenkreis etc.) gekauft zu haben. 6 Personen haben das Cannabis «auf der Gasse» gekauft, je eine Person im Internet, bzw. an einer Party. 

Analyseresultate: Über 50 % der Proben mit synthetischen Cannabinoiden versetzt 

Synthetische Cannabinoide lassen sich nur mittels aufwändiger Methoden wie Gaschromatographie und Massenspektrometrie bestimmen. Die Laboranalyse der 91 abgegebenen Proben führte zu folgendem Resultat: 

Über die Hälfte der Proben (50) wurden positiv auf synthetische Cannabinoide getestet. 

  • bei 48 Proben handelte es sich um «CBD-Gras» (THC < 1%) 
  • 1 Probe wies einen THC-Gehalt von über 1% auf. 
  • 1 Probe wies sowohl hohe CBD-Werte als auch hohe THC-Werte auf. 

Die 50 positiv getesteten Proben enthielten zwischen 1 und 5 verschiedene synthetische Cannabinoide. 34 Proben enthielten 1 synthetisches Cannabinoid, 8 Proben 2, bei 7 Proben wurden 3 verschiedene synthetische Cannabinoide nachgewiesen, eine Probe enthielt 5 verschiedene. Über Wechselwirkungen und zusätzliche Risiken beim Mischkonsum von verschiedenen synthetischen Cannabinoiden ist kaum etwas bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Risiken beim Konsum steigen, je mehr verschiedene synthetische Cannabinoide vorhanden sind. Am häufigsten (n=27) wurde bei der Analyse 5 F-MDMB-PICA detektiert, das im Verdacht steht, für mehrere Todesfälle in Europa und Nordamerika verantwortlich zu sein. Über Wirkungsweise und Toxikologie dieser sowie der anderen analysierten Substanzen (siehe Grafik) ist bislang nur wenig bekannt. 

Die verschiedenen synthetischen Cannabinoide werden im Labor nur qualitativ bestimmt (keine quantitativen Messungen), weshalb keine Aussagen über die Potenz gemacht werden können. 

In den 50 Proben analysierte synthetische Cannabinoide nach Häufigkeit des Auftretens. 

Symptome nach dem Konsum 

Die Konsumierenden meldeten sich beim DIZ, weil beim Konsum schwerwiegende, bis anhin so nicht erlebte Nebenwirkungen wie Herzrasen, starke innere Unruhe, Panikattacken, Desorientierung, Bewusstlosigkeit, Halluzinationen und ungewöhnliche starke Gefühle von Berauschtheit aufgetreten waren. Diese wurden hauptsächlich in den ersten 10 bis 30 Minuten nach dem Konsum als besonders intensiv empfunden. Vereinzelt mussten Klientinnen und Klienten aufgrund der starken Symptome notfallmedizinische Betreuung in Anspruch nehmen. 

Risikoeinschätzung 

Synthetische Cannabinoide, die nicht als solche deklariert sind, können zu riskanten Überdosierungen und/oder starken, oft gesundheitlich bedenklichen Nebenwirkungen führen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die teilweise ungleichmässige Verteilung5 der Substanz auf den Blüten, was zu hohen Konzentrationen führen kann. 

Im Gegensatz zum natürlich vorkommenden THC kommen akute und schwerwiegende Vergiftungen bei synthetischen Cannabinoiden häufig vor. Deren Konsum kann unter anderem zu Ohnmacht, Herzrasen, Bluthochdruck, Krampfanfällen, Übelkeit mit Erbrechen, Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit, Verwirrtheit, Wahnvorstellungen, akuten Psychosen, starkes Verlangen nach weiterem Konsum (Craving) und aggressivem und gewaltsamen Verhalten bis hin zu einem Herzinfarkt führen. 

Das hohe Wirkpotential von synthetischen Cannabinoiden erhöht die Gefahr einer Überdosierung. Einige synthetische Cannabinoide haben neben ihrer hohen Wirksamkeit eine besonders lange Abbauzeit der Substanz (Nachweisbarkeit) im Blut und können zu einer verlängerten psychoaktiven Wirkung führen. 

  • Cannabis bei Verdacht in einem Drug-Checking-Angebot testen lassen. 
  • Neu gekaufte Cannabisprodukte beim ersten Konsum nur «antesten» (zwei, drei Züge nehmen) und danach 20 Minuten warten. Bei ungewöhnlicher Wirkung unbedingt auf weiteren Konsum verzichten! 
  • Mischkonsum vermeiden! Mischkonsum (auch mit Alkohol oder Medikamenten) ist wegen der unvorhersehbaren und noch unbekannten Wechselwirkungen besonders riskant. 
  • Cannabisprodukte vor dem Konsum gut vermischen (Grinder verwenden), um eine starke Konzentration möglicher synthetischer Cannabinoide auf einzelnen Blütenteilen zu vermeiden. Besondere Vorsicht ist beim Restmaterial geboten, das von den äusseren Blütenteilen abgefallen ist, da darin eine besonders hohe Konzentration an synthetischen Cannabinoiden vermutet wird. 

Schlussfolgerungen 

Nur eine Laboranalyse bietet zuverlässigen Aufschluss über die Zusammensetzung von Cannabis. Synthetische Cannabinoide lassen sich optisch nicht erkennen. Auch der Preis ist kein Indiz dafür, dass es sich um eine Fehldeklaration handeln könnte. Konsumentinnen und Konsumenten nannten im DIZ einen durchschnittlichen Kaufpreis von CHF 10.-/g. Dies entspricht den Marktpreisen für illegales, THC-reiches Gras. 

Die Einschätzung, dass es sich bei Cannabis um eine Substanz mit vergleichsweise geringer Gefahr einer Überdosierung handelt, ist seit dem Auftreten von synthetischen Cannabinoiden überholt. Insbesondere wenn sich Konsumierende nicht bewusst sind, dass sie eine deutlich potentere Substanz zu sich nehmen als angenommen (Falschdeklaration), besteht ein hohes Risiko für eine Überdosierung. Mehr als die Hälfte der im DIZ getesteten verdächtigen Proben enthielt eines oder mehrere synthetische Cannabinoide. Bei den anderen Proben bestätigte sich der Verdacht nicht. Dies zeigt, dass auch beim Cannabis-Konsum Set und Setting die erlebte Wirkung beeinflussen können. 

Insgesamt ist die derzeitige Entwicklung aus Sicht des DIZ beunruhigend und erfordert zusätzliche Massnahmen zur Schadensminderung. Das DIZ erweitert deshalb sein Angebot: Ab Oktober 2020 können wöchentlich insgesamt 10 Cannabis-Proben abgegeben werden. Das Angebot ist anonym und kostenlos und beinhaltet nebst der Substanzanalyse ein obligatorisches Beratungsgespräch mit einer Fachperson. Die Resultate der Cannabis-Drug-Checkings werden laufend ausgewertet 

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